
Deutschkurse für Zugewanderte radikal gekürzt
Gravierende Folgen für Integration, Arbeitsmarkt, Lehrkräfte und Kursträger
Sprachkursträger nehmen Stellung
06.05.2025
Ende 2024 informierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) alle Anbieter staatlich geförderter Deutschkurse über unverzüglich eintretende, drastische Kürzungen der Fördergelder: Betroffen sind vor allem Berufssprachkurse, die Zugewanderte auf die Arbeitsaufnahme in Deutschland vorbereiten. Je nach Region wurden schließlich bis zu 80% dieser Kurse ersatzlos gestrichen – mindestens für die erste Jahreshälfte 2025. Kursträger aus ganz Deutschland, die von dieser Entwicklung vollkommen überrascht wurden, berichten einstimmig von unmittelbar spürbaren Konsequenzen. Die aktuellen Bedingungen machen es ihnen unmöglich, ihrem für Gesellschaft, Integration und den deutschen Arbeitsmarkt essenziellen Auftrag nachzukommen.
Verzögerte Integration, ausgebremste Fachkräfte, teure Transferleistungen
Der Bedarf an berufsvorbereitenden Deutschkursen ist anhaltend hoch. Eine Vielzahl von Anbietern erlebt einen Ansturm von Anfragen, mitunter sogar lange Schlangen lernbereiter und teilnahmeberechtigter Menschen, die sich in der Hoffnung auf einen der raren Kursplätze anstellen, geduldig warten und schließlich vertröstet und enttäuscht werden müssen.
Die Berufssprachkurse ermöglichen das Erreichen des Sprachniveaus B2 und sind damit Mindestvoraussetzung für den Einstieg in eine qualifizierte Tätigkeit. Auch Betriebe erwarten von ihren Auszubildenden in der Regel dieses Sprachniveau. Viele aktuell in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten sind gut ausgebildet und könnten in gefragten Berufen arbeiten, sofern sie sprachlich dazu befähigt würden – doch hier stockt es nun. Trotz des großflächigen Fachkräftemangels bleibt das bereits im Land befindliche Potenzial z. B. im Gesundheits- und Ingenieurwesen, in Frühpädagogik und Informatik ungenutzt. Übergangshaushalt und Sparmaßnahmen blockieren so am deutschen Arbeitsmarkt dringend benötigte Ressourcen und verbauen vielen jungen Leuten den Einstieg in die Berufsausbildung 2025.
Die derzeit von der Politik forcierten „Job-BSK“ sind quantitativ kein adäquater Ersatz für die weggekürzten Formate und haben sich zudem in der Praxis nicht bewährt: Diese Sonderform von Berufssprachkursen, die bei deutlich geringerem Unterrichtsumfang individuell in konkrete betriebliche Abläufe eingepasst werden sollen, ist in der Konzeption sehr aufwändig, führt jedoch oftmals nicht zu einer schnelleren Erlangung beruflich erforderlicher Deutschkenntnisse.
Durch die große Förderlücke bei Berufssprachkursen verbleiben somit viele potenziell einsetzbare Arbeitskräfte und Auszubildende in Warteposition und beziehen mangels Alternativen über längere Zeiträume hinweg Transferleistungen – das sind massive, aber vermeidbare Kosten.
Branche vor Herausforderungen: Liquiditätsengpässe und existenziell bedrohte Lehrkräfte
Die Auswirkungen der sehr kurzfristig angekündigten Kursstreichungen auf die Kursträgerlandschaft sind bereits deutlich wahrnehmbar: Ein hoher Prozentsatz der für die ersten beiden Quartale geplanten Kurse konnte nicht starten. Festangestellte Lehrkräfte können nicht mehr mit Unterrichtsaufträgen versorgt werden und bangen um ihre Arbeitsplätze. Mehrheitlich werden jedoch freiberufliche Lehrkräfte in den Kursen eingesetzt. Sie sind noch härter betroffen: Das Ausbleiben von Aufträgen kann für sie von einem Tag auf den anderen existenzbedrohend werden, absichernde Rücklagen ließen sich mit BAMF-finanzierten Kursen nicht aufbauen.
Deutschkursträger, auch renommierte, große Unternehmen, kämpfen nicht nur mit dem Wegfall der Einnahmen für die hohe Anzahl nicht genehmigter Kurse: Sie gehen zudem für jeden laufenden BAMF-geförderten Kurs in monatelange Vorkasse. Bis Ende 2024 erfolgte die Zahlung zumindest ca. 30 Tage nach Meldung des Kursendes – seit 2025 sind es 90 Tage*. Bei Umsatzeinbußen dieses Volumens kann die auf das Dreifache verlängerte Fälligkeit nicht nur zu starken Liquiditätsschwankungen, sondern auch zu Insolvenzen führen. Erste Betriebsschließungen wurden bereits bekannt.
Es ist zu hoffen, dass die Förderungen nach Fertigstellung des neuen Bundeshaushaltes zumindest anteilig wieder hochgefahren werden – (sprachliche) Integration als Aufgabe und frei verfügbares Potenzial für den Arbeitsmarkt können nicht langfristig ignoriert werden. Je länger jedoch die Förderunterbrechung andauert, umso mehr hochwertige Anbieter werden Schaden nehmen, umso mehr fähige Lehrkräfte werden aufgeben. Die Qualität bestehender oder neu hinzukommenden Angebote wird bei anhaltend drastischem Sparkurs kontinuierlich sinken.
Was tun?
Der neue Koalitionsvetrag birgt durchaus Passagen, die Integration im Allgemeinen und Berufssprachkurse im Besonderen thematisieren und Investitionen ankündigen. Es bleibt zu hoffen, dass diese recht allgemein formulierten Vorhaben sehr zeitnah zu konkreten Handlungsgrundlagen werden. Mit dem Ziel, Integration wieder in den Fokus zu rücken, bereits im Land lebende Fachkräfte einsatzfähig zu machen und ein flächendeckendes, anspruchsgerechtes Deutschkursangebot zu sichern, fordern wir:
- sofortige Wiederaufnahme der Förderung gestrichener Berufssprachkurse unter Berücksichtigung der realen Bedarfe,
- unmittelbare Rücknahme der 90-Tage-Zahlungsfrist des BAMF, stattdessen mindestens Rückkehr zu klassischen Fälligkeitszeiträumen*,
- frühzeitige, transparente und einheitliche Kommunikation durch BAMF und Politik gegenüber Trägern, Lehrkräften und Teilnahmeberechtigten sowie
- angemessene Bezahlung und weitreichende Entbürokratisierung.
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Unterzeichnen
Sie vertreten eine Organisation oder einen Geschäftsbereich aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache und möchten sich der Stellungnahme anschließen? Bitte senden Sie uns Ihre Angaben per Formular zu.
Pressespiegel
Veröffentlichungen der deutschen Medien zum Thema Mittelkürzungen bei Berufssprachkursen finden Sie hier:
Offene Briefe & Co.
Lesen Sie den offenen Brief an das BAMF, der von einem der Initiatoren der Stellungnahme der Sprachkursträger verschickt wurde, und weitere öffentliche Wortmeldungen:
* Update: Mit dem Trägerrundschreiben vom 06.06.2025 (TRS 07/25) setzte das BAMF die Kursanbieter davon in Kenntnis, dass für alle ab dem 10. Juni 2025 eingereichten und vom BAMF bearbeiteten Abrechnungen wieder das alte Zahlungsziel von 30 Tagen gilt. Obgleich diese Entwicklung begrüßenswert ist, bleiben alle anderen oben geschilderten Herausforderungen für Kursträger bestehen, da am Sparkurs weiterhin festgehalten wird.
Unterzeichnende
Diese Stellungnahme wurde von einem deutschlandweiten Zusammenschluss von Sprachkursträgern verfasst. Erstunterzeichner waren das ISK Hannover, Interkulturelle Bildung Hamburg, die Akademie Klausenhof und die Sprachenakademie Aachen. Weitere Organisationen können sich durch schriftlich bekundete Zustimmung anschließen, die Liste wird laufend aktualisiert.
Sprachenakademie Aachen gGmbH, Aachen
Humboldt-Institut e.V., Argenbühl
BIB Augsburg gGmbH, Augsburg
Kunz Gesellschaft für betriebswirtschaftliche Aus- und Weiterbildung mbH & Co KG, Bad Kreuznach
SIB Sprachinstitut Bilge, Bayreuth
BBQ – Baumann Bildung und Qualifizierung GmbH, Berlin
bbw Bildungswerk der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg e.V., Berlin
BW Bildungswelt GmbH, Berlin
GFBM gGmbH, Berlin
Hartnackschule Berlin GmbH & Co. KG, Berlin
Institut für Internationale Kommunikation Deutschland e.V. (IIK), Berlin
NetBil gemeinnützige GmbH – Bildungs- und Beratungszentrum, Berlin
inlingua Bremen, Bremen
Mehrgenerationenhaus Burgdorf e.V., Burgdorf
inlingua Chemnitz, Chemnitz
Cultural Lights GmbH, Detmold
Institut für Internationale Kommunikation Deutschland e.V. (IIK), Düsseldorf
Mehrwert Akademie GmbH, Düsseldorf
NEUE ARBEIT der Diakonie Essen gGmbH, Essen
Tricos Bildung & Coaching, Esslingen
iOR Sprachakademie GmbH, Freiburg
FAB gGmbH für Frauen Arbeit Bildung, Friedberg (Hessen)
Akademie für Bildung und Integration Fulda e.V., Fulda
Sprachportal Akademie GmbH, Gießen
VHS-Zweckverband Goch, Goch
Evangelischer Verein Bildung und Dialog e. V., Göttingen
Akademie Überlingen N. Glasmeyer GmbH, Goslar
Institut für Bildung und Beruf (IBB), Hachenburg
inlingua Sprachencenter MK GmbH, Hagen, Iserlohn, Lüdenscheid
Estudio Español GmbH, Hamburg
FLAKS e.V. – Zentrum für Frauen in Altona, Hamburg
Fremdsprachen-Institut Colón GmbH & Co KG, Hamburg
inlingua Sprachschule Hamburg GmbH, Hamburg
Interkulturelle Bildung Hamburg e.V. (IBH), Hamburg
KOM gGmbH, Hamburg
Akademie Klausenhof gGmbH Dingden, Hamminkeln
Caritasverband Hannover e.V., Hannover
damago GmbH, Hannover
deuko Sprachschule GmbH, Hannover
Deutsche Angestellten-Akademie GmbH, Hannover
Inlingua, Hannover
Institut für Sprachen und Kommunikation (ISK e.V.), Hannover
Academy of Languages gGmbH, Heidelberg
Neue Sprachenwelt GmbH, Heidenheim
SBB GmbH – Sprachen & Berufsbildungszentrum, Heidenheim
tricos Bildung & Coaching, Heilbronn
KVHS Holzminden, Holzminden
Friedrich Sprachencenter & Bildungsakademie MK GmbH, Iserlohn
eduGLOBAL GmbH – Institut für Sprache und Bildung, Karlsruhe
DIALOG-Bildungsinstitut, Kassel
Kulturzentrum Schlachthof gGmbH, Kassel
Verein für Berufs-, Sprach- und Freizeitbildung e.V. (VBSF e.V.), Kassel
Bildung & Beruf GmbH, Kempten
Inlingua Sprachcenter Kempten, Sipplinger GmbH, Kempten
Bénédict-Akademie Koblenz GmbH, Koblenz
Inlingua Singen Konstanz Überlingen, Konstanz
KOMPASS gGmbH, Leipzig
language coach institute Cäcilia Thiessen-Wetzel, Leipzig
Bildung und Vielfalt Ludwigsburg e.V., Ludwigsburg
Tricos Bildung & Coaching, Ludwigsburg
inlingua Lübeck, Dr. Bednarski Sprachen GmbH, Lübeck
educare Institut GmbH, Mölln
InitiativGruppe – interkulturelle Begegnung und Bildung e.V., München
Institut für Deutsch als Fremdsprache, LMU München, München
inlingua Sprachschule U. u. C. Bernau GmbH, München
KLARTEXT e.V., München
Bildungsinstitut Münster e.V, Münster
Gesellschaft für Berufsförderung und Ausbildung mbH, Münster
WiPDaF e.V., Münster
Akademia GmbH, Nürnberg
DAA, Nürnberg
Noris-Arbeit gGmbH, Nürnberg
BBAG – Bildung, Begegnung, Austausch – gemeinsam e.V., Potsdam/Brandenburg an der Havel
EZplus GmbH, Stuttgart
tricos Bildung & Coaching, Stuttgart
PROFIL KOLLEG Gesellschaft für Weiterbildung mbH, Ulm
Verein zur Integrationsförderung e.V. (vif), Unna/Hamm
tricos Bildung & Coaching, Waiblingen
inlingua Würzburg, Fulcher GmbH & Co. KG, Würzburg
Hinweis: Die Administration dieser Website wird von der Sprachenakademie Aachen übernommen, die zum Kreis der Initiatoren und Erstunterzeichnenden der Stellungnahme gehört.