
Offene Briefe & Co.
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Offener Brief der Geschäftsleitung der Sprachenakademie Aachen an das BAMF
Der folgende offene Brief wurde am 12.06.2025 von der Geschäftsleitung der gemeinnützigen Sprachenakademie Aachen per E-Mail an das BAMF gesandt. Angeschriebene Personen waren die Direktorin der Abteilung 8 „Integration und gesellschaftlicher Zusammenhalt“, Frau Uta Saumweber-Meyer, sowie der Bereichsleiter der Gruppe 83 „Berufssprachkurse“, Herr Martin Lauterbach.
12.06.2025
Sehr geehrte Frau Saumweber-Meyer,
ich schreibe Ihnen diesen offenen Brief nicht als Vertreter eines Verbandes oder einer institutionellen Interessenvertretung. Es haben sich bundesweit freie Träger zusammengeschlossen, um sich mit einer Stellungnahme an Presse, Politik und Bundesverwaltung zu wenden, da die Situation für alle an den örtlichen Integrationsprozessen beteiligten Gruppen zunehmend prekär wird. Als Geschäftsführer eines dieser Träger habe ich die Aufgabe übernommen, mich direkt an Sie zu wenden. Unsere Stellungnahme findet sich auf der Website www.traegernetzwerk.org, und es wäre schön, wenn Sie sich ein wenig Zeit zur Lektüre nehmen könnten. […]
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Wir möchten uns zunächst für die in Ihrem Trägerrundschreiben vom 06.06.2025 mitgeteilte Veränderung der Zahlungsmodalitäten bedanken. Dies war für uns ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings nur ein kleiner Schritt. Wir waren überrascht, dass Sie in Ihrem TRS die finanzielle und teilweise auch existentielle Bedrohung für Träger der Berufssprachkurse als nicht vorhersehbar klassifizierten. Denn direkt seit Anfang des Jahres artikulierten Bildungsträger sowohl gegenüber dem Außendienst als auch gegenüber den Medien sehr deutlich, dass die Gesamtheit der Maßnahmen in Bezug auf die Berufssprachkurse für Sprachkursanbieter, aber auch in besonderem Maße für freiberufliche Lehrkräfte finanziell sehr schwierig und vielfach existenzbedrohend ist. Wir verweisen in diesem Zusammenhang erneut auf unserer Seite www.traegernetzwerk.org, und hier insbesondere auf unseren Pressespiegel, der Medienbeiträge zum Thema seit Januar 2025 aufführt. Es verwundert uns daher sehr, dass die schwerwiegenden Folgen der Entscheidungen ebenfalls wohl als „so nicht vorhersehbar“ eingeschätzt wurden und offenbar noch werden.
War die Verlängerung Ihrer Zahlungsfristen auf 90 Tage für viele Beteiligte schwer zu heben, so war der grundsätzliche Wegfall einer Vielzahl von Kursen noch gravierender. Diese Reduzierung des Kursangebots hat Auswirkungen auf alle am Angebot der Berufssprachkurse direkt beteiligten Gruppen. Besonders betroffen sind die Folgenden:
1. Freiberufliche Lehrkräfte
Diese haben in aller Regel keinerlei Rücklagen, um den Verdienstausfall auch nur eines Monats zu überbrücken. Der Ausfall einer relevanten Zahl von BSK schon über zwei Quartale bedeutet für viele der Lehrkräfte, dass sie sich zwingend beruflich umorientieren müssen, um einer Privatinsolvenz zu entgehen. Sollte Ihre extreme Kürzung auch, wie es ja leider aussieht, im dritten Quartal Bestand haben, so wird sich dieser Effekt verstärken. Diese Lehrkräfte werden dann fehlen, wenn die angestrebten Job-BSK Fahrt aufnehmen sollten und der schwerwiegende Teilnehmendenstau, der sich sichtbar über die letzten Monate gebildet hat, abzuarbeiten sein wird.
Eine berufliche Neuorientierung ist allerdings für viele Lehrkräfte nicht möglich, durch ihren freiberuflichen Status steht ihnen noch nicht einmal der Weg in die Arbeitslosigkeit offen. Der Wegfall von Kursen ist in vielen Fällen ruinös. Die Situation verschärft sich nun von Monat zu Monat, in dem Maße, in dem Kurse, die bereits im letzten Jahr gestartet sind, langsam auslaufen und auch alternative Einsatzmöglichkeiten, zum Beispiel in grundständigen Integrationskursen, weniger werden.
2. Verantwortungsbewusste Bildungsträger
Ebenfalls ökonomisch prekär ist die Situation für Bildungsträger, gerade für solche, die trotz der überschaubaren Bezahlung durch das BAMF in den letzten Jahren dazu übergegangen sind, Lehrkräfte einzustellen und/oder eine Verwaltungsstruktur aufzubauen, die den bürokratischen Anforderungen des Integrationskurssystems gewachsen ist. Dass in einer Situation, in der offensichtlich die Nachfrage nach Kursen, die Infrastruktur der Bildungsträger und nicht zuletzt eine große Anzahl gut qualifizierter Lehrkräfte vorhanden sind, aus fiskalischen Gründen von Politik und Bundesverwaltung disruptiv und unter Vernachlässigung der oben genannten Faktoren eingegriffen wird, war für Kursträger nicht abzusehen. Vor allem nicht in dieser extremen Kurzfristigkeit. Bildungsträger, die freiberuflichen Lehrkräften einen würdigen Weg in eine Festanstellung anboten, sind stärker betroffen, aber allen Trägern wird der Haushaltsplan 2025 zerschossen. Volkshochschulen müssen auf kommunale Mittel, Filialbetriebe auf Unterstützung der Firmenstrukturen zurückgreifen. Verantwortungsbewusste Bildungsträger, die eine Fürsorgeverpflichtung auch ihren freiberuflichen Lehrkräften gegenüber empfinden, leiden zudem buchstäblich darunter, was sie diesen teilweise seit Jahren für sie Tätigen antun müssen. Und Rücklagen, die für überfällige Digitalisierung oder die gebotene Integration von KI in den Lehrbetrieb vorgesehen waren, werden aktuell ohne Not verbrannt. Wenn sie denn (noch) da sind. Erste Insolvenzverfahren von Trägern sind bereits eröffnet.
3. Hochmotivierte, gut qualifizierte Teilnehmende, angehende Fachkräfte
Der Stau an Teilnehmenden, die dringend auf weiterführende sprachliche Qualifikation angewiesen sind, ist enorm. Buchstäblich jeder Qualitätsträger muss konstant erklären, warum es aktuell kein ausreichendes Kursangebot gibt. Besonders betroffen sind angehende Fachkräfte, die für die Anerkennung ihrer Berufsqualifikation oder als Voraussetzung für eine Ausbildung Sprachkenntnisse auf dem Niveau B2 oder höher nachzuweisen haben. Nahezu alle Berufsschulen, Berufskollegs oder Pflegeschulen klagen über fehlende sprachliche Grundlagen der Bewerberinnen und Bewerber. Diese können durch extensive ausbildungsbegleitende Azubi-BSK nach derzeitigem Stand und Umfang nicht aufgefangen werden. Die reale Zahl an ausfallenden BSK liegt zudem bundesweit weit höher, als anscheinend erwartet und wahrgenommen. Dies scheint unter anderem an den fehlerhaften gemeldeten Bedarfen der Jobcenter zu liegen, die vielerorts schon in der Vergangenheit an der realen Bedarfssituation vorbeigingen. Aus vielen Regionen erreichen uns Nachrichten, dass Jobcenter vor der Anforderung, reale Bedarfe zu ermitteln, eher ratlos stehen und wilde Schätzungen weitergeben müssen. Bei der häufig anzutreffenden sehr dünnen Personaldecke des Fallmanagements ist dies wenig verwunderlich.
Unser Anliegen: Rücknahme der Kürzungen
Offenbar hat Ihr Haus unlängst einen zweiten Antrag auf überplanmäßige Ausgaben beim Bundesministerium für Finanzen gestellt, bei dem allerdings unser Hauptanliegen, eine zumindest teilweise Rücknahme der disruptiven Kürzungen zu Jahresbeginn, nicht berücksichtigt wurde. Weiterhin scheint die Situation, in der die genannten beteiligten Gruppen sich befinden, den Verantwortlichen nicht hinreichend deutlich vor Augen zu stehen, da, wie bereits zitiert, z. B. die prekäre Situation der Träger und der freiberuflichen Lehrkräfte nicht vorhergesehen wurde. Wir stehen einer Entwicklung, die sich stärker am Arbeitsmarkt orientiert, etwa durch Job- oder Azubi-BSK, durch spezielle Angebote für nachgefragte Berufsfelder und stärkere Orientierung an den Bedürfnissen der Arbeitgeberseite, sehr offen gegenüber. Aber die Art und Weise, wie zu Jahresbeginn und konstant bis zum heutigen Tag entgegen jeglicher Planungsmöglichkeit massive Kürzungen vorgenommen wurden, nimmt Privat- und Trägerinsolvenzen nicht nur in Kauf, sondern forciert sie.
Daher bitten wir Sie dringend, unser Anliegen schnellstmöglich den zuständigen Ministerien vorzutragen, denn hierbei handelt es sich um ein Problem, das sich nicht in Ihrer üblichen Vorgehensweise in Quartalsschritten oder gar erst mit dem Haushaltsjahr 2026 lösen lässt. Hier zählt jeder Monat. Es wird auch nicht dramatisiert. Es werden auch nicht Partikularinteressen von einer Lobbygruppe vorgetragen. Es melden sich einfach nur Bildungsträger, die in den letzten Jahren die Hauptlast der sprachlichen Integrationsarbeit getragen haben, die an der Basis tätig sind und die wissen, wovon sie reden.
Gerne stehen wir Ihnen für Nachfragen oder ergänzende Informationen zur Verfügung und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Kai U. Müller Geschäftsführer Sprachenakademie Aachen gGmbH
ma**@*************rk.de
P. S.:
Dieser offene Brief wird auch auf der angegebenen Website www.traegernetzwerk.org veröffentlicht.
Briefwechsel zwischen Bundestagsabgeordneter Michaelsen und Parlamentarischem Staatssekretär im Finanzministerium Rohde
Nach einem intensiven Austausch mit mehreren Hannoveraner Sprachkursträgern nahm die Bundestagsabgeordnete Swantje Michaelsen (Grüne) in einem Brief Kontakt zu Bundesfinanzminister Lars Klingbeil und Bundesinnenminister Alexander Dobrindt auf, um auf die negativen Auswirkungen der Mittelkürzungen für Berufssprachkurse hinzuweisen und um die zeitnahe Sicherung einer bedarfsgerechten Förderung zu bitten. Den Briefwechsel zwischen Frau Michaelsen und Dennis Rohde (SPD, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen) stellen wir hier mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung.
Briefwechsel zwischen Swantje Michaelsen, MdB & Dennis Rohde, Parl. Staatssekretär BMF
Den Briefwechsel zwischen Swantje Michaelsen (MdB) und Dennis Rohde (MdB und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen) können Sie hier nachlesen:
Öffentliche Frage an die Bundes-arbeitsministerin
Über abgeordentenwatch.de haben wir öffentlich eine Frage an Bärbel Bas, die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, gerichtet: Wir interessieren uns für ihren Umgang mit der Situation und etwaige Lösungsansätze.
Offener Brief der Kursleitenden in Deutschkursen
Auch von Seiten unmittelbar durch die Mittelstreichungen betroffener Deutsch-Lehrkräfte gibt es einen offenen Brief an Arbeitsministerin Bärbel Bas, auf den wir hier gern hinweisen.